Was kann ein "Asperger" lernen und was geht nicht?

  • Hallo an euch alle


    Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit der Schulleitung der Sonderschule, die unser Sohn im Moment besucht. Alle da sind sehr interessiert, mehr über ASS zu erfahren und zu lernen. Für sie ist dieses Thema praktisch Neuland. Er ist da in der 1 Bez. (7 Klasse).
    Da ist von der Schulleitung die Frage aufgetaucht, was für unseren Sohn möglich ist zu lernen und was für einen "Asperger" nie zu lernen sei, weil es einfach vom Autismus her nicht geht. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass er alles lernen kann, wenn er will.


    Mich würden jetzt andere Meinungen interessieren. Von Leuten, die mit Betroffenen arbeiten, Eltern und alle anderen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Hier im Forum kann ich eine breite Palette von Personen ansprechen, wenn ich auf privater Basis eine Antwort suche, bin ich wieder eine Ewigkeit dran.


    Ich bin riesig gespannt auf Rückmeldungen und freue mich auf eure Antworten. :)


    Freundliche Grüsse
    Jris

  • Hllo Jris,
    ich bin selber Mutter eines Kindes mit ASS (Verdachtsdiagnose Asperger). Mein Sohn geht seit dem Kindergarten auf die öffentliche Schule im Dorf. Nach der ersten Unsicherheit über die Einschulung haben wir einen voll integrativen Weg gesucht. Zu Beginn war er an der Sonderschule angemeldet und eine Heilpädagogin hat ihn in der Regelschule unterstützt. Nach 2 Jahren haben wir uns von der Sonderschule losgelöst und ihn als ISR-Schüler weiter geschult. Er hat unterdessen (6.Klasse) so gute Noten, dass er sich das Ziel Gymnasium gesetzt hat.
    Ich bin der Meinung, dass ein Kind mit ASS (fast) alles lernen kann. Wir sprechen sehr viel mit unserem Sohn, versuchen ihm die Welt zu erklären, die er von sich aus nicht ganz versteht.


    Liebe Grüsse und weiterhin viel Energie und Ausdauer!
    Gabi

  • Hallo Gabi


    Danke für deine Meldung.
    Unser Sohn war seit dem Kindergarten bei uns im Dorf in der öffentlichen Schule. Diagnose mit 9 Jahren. Danach gab es aus dem GEF-Pool zuerst 2 und ab 5 Klasse 6 Stunden Unterstützung. Leider haben wir eine Primarlehrerin zur Unterstützung erhalten, die die Stunden im Schulzimmer abgesessen hat. Ende 5 Schuljahr habe ich freiwillig die Stunden zurückgegeben, weil unser Sohn immer unausstehlicher wurde und ich die Arbeit, die er in der Schule hätte erledigen sollen, noch mit ihm zu Hause machen musste. Wenn die Schule nur im Wortschatz integriert, muss man etwas ändern.
    Die Sonderschule ist für uns im Moment, das Beste was wir bis anhin hatten. Er ist dort akzeptiert und fühlt sich wohl, auch auf der Wohngruppe. Dadurch, dass er ausserkantonal zur Schule geht, ist er im Unterricht nicht mehr da, wo er mal war. Er muss im Franz und Englisch ein neues Lehrmittel aufarbeiten und ist mit dem Rest auch etwas überfordert. Ich glaube aber, dass er mit etwas Unterstützung das auch noch auffangen kann.


    Was bedeutet ein ISR-Schüler ?


    Grüessli
    Jris

  • Hallo Jris
    Mit der richtigen Unterstützung und dem Verständnis der Umwelt für Ass ist alles möglich Leider stossen wir hier immer wieder an Grenzen, die die Gesellschaft einem vorgibt. Unser Sohn ist 14,besucht die Regelschule und obwohl die Lehrer bescheid wissen, können sie die Diagnose und die damit verbundenen Probleme nicht akzeptieren. Auch jetzt beim Suchen nach Schnupperlehren, stossen wir immer wieder auf Vorurteile gegenüber Autisten. Unser Glück ist es, in der Autismushilfe ostschweiz einen Partner zur Seite zu haben, die uns immer wieder Kraft gibt und uns hilft. Sie bieten auch an, die Lehrer über ASS aufzuklären. Vielleicht ist das für dich und deine Familie sinnvoll, wenn jemand aus dem Fachbereich einmal in die Schule kommt, um ein Aufklärungsgespräch führt.
    LG Xenia

  • Weitere Kommentare zur obigen Frage findet Ihr auf Facebook:

    Eine Stimme aus unserem Forum: Mich würden jetzt andere Meinungen interessieren. Von Leuten, die mit Betroffenen...

    Posted by Autismus Forum Schweiz on Montag, 18. Januar 2016
  • Hallo zusammen


    Grundsätzlich stimme ich meinen Vorschreiberinnen zu: Ein durchschnittlich inteligenter Asperger wird in der Lage sein, alles zu lernen. Möglicherweise wird es bei den einen Punkten etwas länger dauern oder er benötigt mehr/andere Anweisugen/Anleitungen als andere.
    Aber lernbar ist alles.


    Wichtig finde ich noch, dass man nicht ausser Acht lässt, dass man auch als Asperger nicht alles können muss. Man kann auch glücklich sein, wenn man nicht lernt an eine Party zu gehen, wenn das für einen zu laut oder zu voll ist. Wenn man beim Fussballspielen keinen Überblick hat, muss man das nicht zwingend lernen usw.
    Hier würde ich versuchen im Gespräch heraus zu finden, was euer Sohn wirklich möchte und was (im Moment) nicht.


    Liebe Grüsse

  • Liebe Jris,
    bei uns heisst ISS integrative Sonderschulung in der Verantwortung der Sonderschule, ISR integrative Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule. Der Unterschied ist grundsätzlich die Verantwortlichkeit. Wie du auch erwähnt hast, ist es schwierig, ausgebildete Fachpersonen zu finden, die sich mit der Integration von Kindern mit ASS auskennen. Daher war für uns der "Umweg" über die Sonderschule lohnenswert. Die Sonderschule hat eine qualifizierte Heilpädagogin gesucht und gefunden. Sie hat sich selbst noch eingelesen und geschaut, was Thierry an Unterstützung in der Schule braucht. Bei ihrer Pensionierung hat sich der neue Heilpädagoge an der Schule (der IF-Stunden abdeckte) um diese Integration bemüht, sich auch selber eingearbeitet und die Arbeit der früheren Heilpädagogin weitergeführt. Deshalb lösten wir uns von der Heilpädagogischen Schule, da die neue Lösung sehr gut umsetzbar war. So ist der Heilpädagoge mit den IF-Stunden (=integrative Förderung, immer ca 2 Lektionen pro Klasse) sehr oft in der Klasse von Thierry anwesend und kann auch andere SchülerInnen noch unterstützen. Aber eben, es braucht schon auch flexible und offene Lehrpersonen, da viel an Absprachen und Zusammenarbeit gefordert ist...
    Eure Lösung tönt aber auch gut! Hauptsache euer Sohn fühlt sich wohl und kann wieder lernen. Ich bin auch der gleichen Meinung wie Pinguin. Niemand muss alles lernen, jeder sollte dort Gas geben können, wo er sich wohlfühlt und dort Unterstützung bekommen, wo er/sie es zum Leben braucht. Das ist auch für jeden Menschen mit ASS so verschieden wie bei allen anderen Menschen!
    Liebe Grüsse
    Gabi

  • Ich bin davon überzeugt, dass die neuronalen Bereiche für Zwischenmenschliches eine höhere Neuroplastizität haben als zum Beispiel kognitive Bereiche. Das bestätigt nur meine Erfahrung mit mir selbst. Zwischenmenschlich bin ich über meinen Schatten gesprungen. Doch nach wie vor nehme ich meine Umwelt nur Bruchstückhaft wahr. Mir fehlt ein stabiles, vernetztes System, um Informationen zu filtern und umweltgerecht abrufbereit zu speichern.

  • Sorry für ein off-topic Thema. KOmme dann in einem weiteren Beitrag auf das Thema zurück.


    Ich bin davon überzeugt, dass die neuronalen Bereiche für Zwischenmenschliches eine höhere Neuroplastizität haben als zum Beispiel kognitive Bereiche. Das bestätigt nur meine Erfahrung mit mir selbst. Zwischenmenschlich bin ich über meinen Schatten gesprungen. Doch nach wie vor nehme ich meine Umwelt nur Bruchstückhaft wahr. Mir fehlt ein stabiles, vernetztes System, um Informationen zu filtern und umweltgerecht abrufbereit zu speichern.


    JJ, wäre interessant wenn du das näher erläutern würdest. Mich interessiert vor allem, wie du die Einsicht in die Wahrnehmungsart neurotypischer Menschen gewinnst, um deine eigene anders geartete Wahrnehmungsart dagegen zu kontrastieren.


    Ich erfahre mich sozusagen im Dauerstress des Versuches zu verstehen, wie Neurotypische ihre Welt erfahren, wie sie Sinnesinput zu Informationen verarbeiten, die ihre Realitätswahrnehmung generieren, und wie sie den Alltag erfahren, um daran ermessen zu können, wie anders ich ticke. Ich tue das hauptsächlich via Lesen von gutrecherchierten Berichten (wobei gute Recherche für mich fast nur von angelsächsischen Medien wie der New York Times oder gelegentlich vom Guardian zu haben ist; unsere Meiden hierzulande sind praktisch nur Meinungsmache oder flaches Info-Geplätscher); und realitätsnahe fiktionale Filme, die eine gewisse Einfühlungsebene vermitteln.


    Weil ich lange in der englisch-sprachigen Welt lebte, habe ich dann zusätzlich noch Mühe, die schweizerische Enge und die spezifische Sichtweise hier zu erfassen, bzw die landesspezifischen Merkmale des Denkens und Interpretierens von alltäglichem Lebens-Wahrnehmen herauszufiltern.

  • Dieses Forum hat die unangenehme Eigenart, mich auszuloggen, wenn ich lange Texte schreibe; darum kam diese ungünstige Formatierung unten zustande... Schade, aber hoffentlich nicht allzu störend beim Lesen.



    Im Schweizerdeutschen spricht man doch
    oft davon, was jemand lernt, wenn man von der Lehre spricht, wenn
    also Lernen mehr fähigkeits- oder geschicklichkeitsbezogen ausgelegt
    wird. Für Aspies und AS-Menschen generell, gilt es immer zu
    bedenken, dass es grosse Unterschiede gibt, wie bei neurotypischen (NT) Menschen auch. In Bezug auf mögliche handwerkliche Lehren kann es sein, dass ein Aspie manuell besonders ungeschickt sein kann.
    Meiner Erfahrung nach hat das mit der Raumwahrnehmungsschwierigkeit
    zu tun, bzw mit möglicher sinnlicher Überreizung.


    Auf Berufe
    bezogen sind kommunikations-intensive Berufe wohl eher schwierig,
    auch Verkauf wird nicht gut passen wegen notwendigem Blick-Kontakt.


    Ich denke, es ist grundsätzlich schon richtig,
    zu sagen, ein Aspie könne alles lernen, sofern man dabei
    einschränkt, dass auch hier Neigungen und Prädispositionen
    vorliegen können, die in die eine oder andere Richtung weisen. Eine
    autismus-spezifische Neigung kann sein, eher Mühe zu bekunden in
    Bereichen, die Spontaneität verlangen; das könnte zB in
    Gruppenarbeiten der Fall sein, oder in Rolleneinübungen für
    Theater; bei diesen Dingen kommt die Abneigung dazu, mit andern in
    Dauerkontakt zu stehen und keine Rückzugsmöglichket zu haben.


    Licht, Geräusche etc
    Es spielt hier also
    mehr das situationsbezogene Umfeld eine Rolle, wieso etwas nicht so
    gut passt. Wichtig kann zB auch die Raum-Beleuchtung sein, die zu
    Sensory Overload (Überreizung der Sinneswahrnehmung) führen kann,
    oder etwaige Lärmbelastung etc. Ich finde es zB schwierig, mich zu
    konzentrieren, wenn da vermeidbare Nebengeräusche sind, wenn zB
    Radio oder TV läuft. Ich habe Mühe beim Autofahren (und ich fahre
    gerne), wenn das Radio läuft.


    Aus andern Foren weiss ich,
    dass viele Aspies besonders auch lichtsensitiv sind, wobei Neonlicht
    besonders schlimm wirkt auf kognitive Prozesse. Ich vermute,
    dass viele auch besonders elektro-sensitiv sind, die davon nichts
    wissen,
    weil die elektormagnetischen Schwingungen und Felder
    heutzutage überall zur Hintergrundsstrahlung gehören. Es kann also
    hilfreich sein, darauf zu achten, dass das Kind nicht unnötig Wifi
    oder andern Strahlungsquellen (inkl Induktionsherd, Mikrowellenofen
    und so) ausgesetzt ist.


    In meinem Fall achte ich immer darauf, nicht Richtung Fenster zu sitzen, um meine Lichtsensitivität nicht
    zu überreizen. Ich benutze auch sonst immer indirektes Licht, das
    ich als angenehm empfinde, wobei ich rötliches Licht dem blauen
    vorziehe. (In meiner Jugend wurde ich als oft lächelnde Person
    wahrgenommen; in Wirklichkeit aber musste ich wegen meiner
    Lichtsensitivität blinzeln...)


    Da heutzutage das
    Starren auf beleuchtete Oberflächen (Tablets, Handies etc) zum Dauerbegleiter gehört, ist es gut zu wissen, dass bläuliches Licht schnell zu Überreizung führt (daher ist Neonlicht so grässlich).
    Um mindestens die Einschlaffähigkeit zu verbessern, ist es
    hilfreich, wenn Software installiert ist, welche abends die
    Helligkeit dämmt. Ich benutze dazu f.lux
    https://justgetflux.com/


    Lernschwierigkeiten
    Ich (spät-diagnostizierter Aspie) hatte enorme Schwierigkeiten mit
    abstrakten Lerninhalten, also mit manchen Formen der Mathematik (zB
    Integral und Differential, aber nicht mit Geometrie und Trigo), sowie
    mit gewissen Bereichen in Physik und Chemie, und später formaler
    Logik. Ich hatte aber keinerlei Probleme mit Sprachenlernen (Latein etc) sowie historisch-literarischen Inhalten. Viele Aspies sind aber genau besonders gut in abstrakten Bereichen.


    Man muss also herausfinden, wie jemand tickt. Ein besonders hilfreiches Mittel dazu
    finde ich seriöse psychologische Astrologie. Grundsätzlich geht es
    ja darum, eine gegebene nicht-reduzierbare Komplexität wie ein
    individuelles menschliches Leben irgendwie erfassbar zu machen. Die
    westliche Astrologie ist ein geeignetes Mittel dazu, weil sie quasi
    das Nicht-Reduzierbare graphisch darstellen kann, und einen
    unermesslich reichen Schatz an intuitivem Erfahrungswissen in die
    Interpretation des graphisch Sichtbaren einfliessen lassen
    kann.


    Heutzutage hat man die optimale Möglichkeit, sich via
    youtube in Kürze in die Kunst der astrologischen Charakter- und
    Fähigkeitsdeutung einführen zu lassen. Es ist natürlich hilfreich,
    wenn man Englisch kann, weil viele gute Astrologen auf Englisch Infos
    anbieten. Das Zürcher Unternehmen hinter http://www.astro.ch bietet ein
    weltweit einzigartiges Portal, das erstens die Berechnungen
    automatisiert, und zweitens recht gute Erst-Interpretationen liefert,
    auch im Gratisbereich. Eine gute englisch-sprachige Webseite ist
    http://cafeastrology.com/


    Für weiterführende (selbstverständlich nicht-kommerzielle) Infos gerne PM.