• Hallo zusammen,
    kurz zu meiner Situation: bin Vater eines 9Jährigen mit ASS, seine Mutter und ich betreuuen Ihn zu je 50%.. Mich würde interessieren, ob andere Eltern manchmal auch dieses Gefühl haben von Neid auf andere Eltern, welche sgn. Normale Kinde haben. Dort wo ich wohne, hat es sehr viele Kinder, die miteinander spielen und sich selbsständig in der Gegend bewegen. Mir wird dann immer bewusst, dass mein Sohn immer noch so von mir abhängig ist. Gleichzeitig sehe ich all diese Bullerbükinder ohne Probleme und es kommen dann Gedanken, dass deren Eltern so sorglos sein können. Da kommt dann der Neid oder gar eine gewisse Wut steigt in mir auf. Steh ich da alleine im Raum oder habt Ihr manchmal auch solche Gedanken?

  • Hallo Memento


    Ich denke jeder, der ein ASS Kind hat, hat Momente, in denen er hadert... Wir Menschen haben so die Tendenz in schwierigen Situationen zu hinterfragen "Warum ich, warum passiert mir das, weshalb muss ich es so schwer haben?".
    Ich denke, das ist ein Prozess. Irgendwann hat man seinen Platz gefunden, so geht es zumindest mir. Vorbei mit dem Druck, immer perfekt sein zu wollen und bei allem mithalten zu können (unsere Gesellschaft gaukelt uns vor, es wäre immer bei allen so perfekt und schön). Inzwischen gehe ich in die Offensive: Ja, mein Kind ist handicapiert. Und in diesem Moment, da ich das so für mich annehmen konnte ohne Versteckspiel, ging es mir auch gleich viel besser. Ich habe mich damit abgefunden, dass unser Sohn nie mit anderen zusammen spielen wird.


    Aber ja ganz klar: Das war schmerzhaft. Anfangs habe ich krampfhaft versucht für ihn zu kompensieren. Habe Kinder eingeladen und unter meiner Aufsicht tolle Sachen gemacht, um meinen Sohn "attraktiver" als Freund zu machen. Habe ihn motiviert Sportarten auszuüben in der Hoffnung, er würde den Anschluss finden. Weil ich auch das "Ideal" einer Kindheit vor Augen hatte. Gemeinsam mit Kollegen durch Feld und Wald streifen, mal einen "Seich" machen zusammen, hat alles, was "normale" Kinder so tun.


    Ich denke Neid und Missgunst ist ein Teil dieses Prozesses um sich mit seiner Situation abzufinden. Und wenn man das getan hat, dann erkennt man auch ganz viele Vorteile. Aber es ist wie gesagt ein kein einfacher Weg, seine Position zu finden und zu akzeptieren, dass bei unseren Kindern nichts in der Norm verläuft.


    Ganz viel Kraft bei der Suche nach Deinem Platz als Vater.. Unsere Kinder gehen eigene Wege, die wir nicht immer nachvollziehen können, aber niemand kann sagen, ob nun diese oder jene Wege wirklich erfüllender und "richtiger" sind. Lassen wir uns ein, auf dieses Abenteuer :-)


    Liebe Grüsse
    Patch

  • Hallo Memento


    Diese Momente kenne ich auch. Nicht mehr soooo häufig, wie noch vor ein paar Jahren. Mich ärgert dann mehr, wenn ich Erziehungsvorschläge von solchen normalen Familien kriege.


    Im Moment habe ich am meisten Mühe mit diesem vielen Papierkram. Hier noch ein Formular, da ein Gesuch und die diversen "Bürogummis", die die Situation von unserem Sohn einschätzen sollen. Dann braucht es noch eine Bestätigung und wir brauchen noch dies und das. Da denke ich manchmal, mit einem normalen Kind hättest du diesen Aufwand nicht.


    Es gibt aber auch ganz viel Schönes, dass wir mit unserem Sohn erleben und für diese Momente bin ich dankbar und die helfen mir in der schwierigen Zeit nach vorne zu sehen.


    Wie Patch so treffend gesagt hat, jeder findet seinen Platz irgendwann. Ich bin momentan noch am Suchen, aber nicht mehr so orientierungslos, wie am Anfang der Diagnose. ;)


    Dir viel Kraft für dich und deinen Sohn


    Liebe Grüsse


    Jris

  • Hallo Memento
    Bullerbü-Kinder... Ich glaube, ich verstehe, was Du meinst, und manchmal geht es mir auch so, dass ich mich frage, warum unsere Jungs nicht so sind. Gerade jetzt liegen ein paar sehr anstregende Tage hinter uns und da frage ich manchmal auch, wie es wohl in anderen Familien aussieht...
    Seit meine Söhne auf der Welt sind, versuche ich sie zu verstehen, ihre Eigenarten, Stärken, Schwächen. Begabungen, Handicaps kennenzulernen. Seit ungefähr einem Jahr haben wir mit der Diagnose Asperger einen Namen für ihr Anders-Sein. Oft fahren die Gefühle Achterbahn: Erschöpfung, weil es manchmal sehr anstrengend ist, Stolz, weil es zwei wunderbare, liebevolle, aufgeweckte und hochintelligente Jungs sind und auch Angst, ob es ihnen gut geht, wir sie gut begleiten können und sie ihren Platz im Leben finden können.
    Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute
    Noa

  • Ich weiss, dass das Akzeptieren der Andersartigkeit eine grosse Herausforderung ist. Ich bin erstens selber Asperger und habe zweitens eine mittlerweile erwachsene Tochter, die Aspergerin ist. Von daher weiss ich, was es bedeutet "anders" zu sein.


    Mein Rezept ist, dass ich nicht schaue, was die anderen haben und ich nicht, sondern ich richte meinen Fokus nur auf das was ich habe. Ich stelle mir oft die Frage, ob ich denn wirklich so sein möchte wie die anderen und komme zum Schluss, dass ich eben genau das nicht will. Auch meine Tochter hat sich trotz Abklärung dazu entschieden, sich nicht als AS zu outen, sondern ihren eigenen, ja speziellen Weg zu gehen und das klappt nur, wenn die bedingungslose Liebe von uns Eltern ihr mit auf den Weg gegeben wird. Wir begleiten unsere Tochter auf jede uns mögliche Weise und freuen uns, dass es ihr gut geht.


    Die Frage nach dem Warum ist schmerzhaft und man wird nie eine Antwort darauf bekommen, zumindest habe ich noch von keiner solchen gehört. In anderen Familien sieht es im Inneren oft nicht so aus, wie es nach aussen den Schein erweckt. Es gibt so viele Spielarten von Nicht-glücklich-sein. Ich denke da zum Beispiel an Alkoholismus von Eltern und wie die Kinder darunter leiden. Ich denke nicht, dass eine solche Situation die Familie glücklich sein lässt. Wie viel Elend gibt es hinter all den schönen Fassaden? Wenn man wirklich einen Bllick dahinter werfen könnte, ich glaube manch einer würde sich erschrocken davon abwenden und froh sein für das, was er hat.


    Noa schreibt, dass es wunderbare, liebevolle, aufgeweckte und hochintelligente Jungs sind. Ist das denn nicht wunderbar? Ich finde schon. :)


    Wenn ich mich so in der Nachbarschaft umschaue und mitbekomme, welch ein Stress die Kids heutzutage untereinander so haben, dann frage ich mich, ob die Familien dieser Kinder wirklich glücklich sind. Man muss das haben, man muss dies haben - der reinste Klassenkampf. Es wird gemessen und verurteilt was das Zeug hält. Ist das denn so erstrebenswert? Ein provokative Frage, klar. Ich habe mir diese oft gestellt und bin froh, dass wir damals, als unsere Kinder noch Kinder waren, nicht so waren wie die meisten da draussen. Das gab es schon während meiner Kindheit, doch die Intensität nimmt meines Erachtens immer mehr zu und das macht mir Angst.


    Mein Fazit, wenn ich auf die Zeit als Eltern, in welcher unsere Kinder von uns abhängig waren zurückblicke ist, dass es in jeder Familie Sorgen und Ängste gibt, egal mit oder ohne Autismus.


    Lieber Memento, nimm deinen Sohn so an wie er ist und vergleiche ihn nicht mit den anderen Kindern. Dein Sohn ist ein Geschenk! Wie sagt man so treffend? Auf anderen Wiesen ist das Gras nicht grüner ...


    Alles Gute und viel Sonnenschein für euch beide.

  • Hallo ihr lieben...oh ja, kenne diese momente auch SEHR gut...trotz bedingungsloser liebe zu unseren buben...merke, dass ich mit Eltern von neurotypischen kindern einfach nicht viel gemein habe und bei gesprächen fühl ich mich dann ziemlich aussen vor...und denke oft, was die für probleme haben, tsst tsst. Unsere kids, so einzigartig und super sie sind, verlangen uns eine ziemliche anpassungsleistung ab...und ich finde, da darf man auch mal drüber jammern, nicht? Streng ists, viel papierkram, fortlaufende fremdbewertungen, div termine, zukunftsängste...so geht es uns jedenfalls...das zehrt....aber macht auch stolz. Will jetzt nicht esotherisch oder so klingen...aber ich glaube schon, dass wir diese besondere aufgabe erhalten haben, um daran zu wachsen...und zwangsläufig lernen wir doch so unglaublich viel übers menschsein, ja über die welt...alles gute euch allen!!!

  • Liebe Forumsteilnehmer,


    vielen Dank für all eure Antworten. Ich hoffe Ihr versteht mich nicht falsch, ich liebe natürlich meinen Sohn über alles. Mit Bullerbü meine ich übrigens die Geschichten von Astrid Lindgren "Wir Kinder von Bullerbü", wo doch meiner Meinung nach eine (wahrscheinlich auch übertrieben...) heile Kinderwelt dargestellt wird.
    Anyway, vielen Dank nochmals für die gross Resonanz. Wünsche euch und euren Kinder alles Gute!

  • Lieber Memento,


    ich will dir rückmelden, dass ich nicht davon ausgegangen bin, dass du deinen Sohn nicht liebst. Wenn dem so wäre, dann hättest du deinen Beitrag kaum geschrieben. Es klingt vielleicht altbacken, aber sagst du das deinem Sohn auch? Mit Worten kann man sehr viel erreichen. "Ich liebe dich" - dieser Satz alleine gibt so unendlich viel Kraft, das wird oft unterschätzt. <3


    Mich hat der Aspekt der "heilen Kinderwelt" jetzt angesprochen. Meine Gedanken dazu sind die, dass es solche Geschichten wie die von Astrid Lindgren braucht und es auch richtig und vor allem schön ist, sich in solche zu vertiefen. Als Kind liebte und liebe ich sie noch heute, solche Geschichten, ja, sie bieten mir einen Rückzugsort vor der Welt da "draussen". Wir alle leben in der realen und meistens ja auch brutalen Welt.


    Wie schön ist es doch, wenn man sich ausklinken und in einer heilen Welt wieder Kraft tanken kann! Am liebsten mochte ich es, wenn mir solche Geschichten vorgelesen wurden, dann verschmolz ich erstens in der Stimme des Vorlesers oder der Vorleserin - ein für Autisten sehr wichtiger Faktor - und in der Geschichte. Das richtige Vorlesen ist eine grosse Kunst, die hoffentlich trotz der heutigen Medien nicht verloren gehen wird.


    Schon alleine die Erinnerung daran lässt mich heute noch ruhiger werden und ich stehe dazu, auch als Erwachsener immer wieder in heile Welten abzutauchen. Ich empfinde diese Tätigkeit als sehr heilend.


    Was auch sehr hilfreich ist, das ist das Verfassen eigener Geschichten. Meinen Kindern habe ich oft sich spontan in meinem Kopf entwickelnde Geschichten mit Hilfe einer Marionette erzählt. So kann man als Eltern auch den Kindern ein wenig Sicherheit bieten.


    Nun, ich bin jetzt hier mit diesen Gedanken vom ursprünglichen Thema abgedriftet, ich denke mir jedoch, dass das sich eine eigene Welt erschaffen auch eine Möglichkeit ist, dem Neid anderen gegenüber zu begegnen. Ein Versuch ist es allemal wert :)
    Regenbogen

  • lieber Memento
    Ich habe sehr viel gehadert, ich hatte auch Schuldgefühle deswegen, ich dachte sogar, mein Sohn ist wegen meiner "schlechten" Erziehung so, wie er ist. Aber sieh es mal so: dein Sohn hat dich ausgewählt. Er wird wissen, warum. Sei stolz darauf (und auch in Bullerbü scheint nicht immer die Sonne).